Die Geschichte der kleinen schillernden Fledermaus Bettsy
Tief im Ewigen Wald, wo uralte Bäume ihre leuchtenden Blätter im Wind rauschen ließen und der sanfte Nebel in den Farben der Dämmerung schimmerte, lebte eine besondere Fledermaus. Ihr Name war Bettsy und sie war anders als alle anderen. Während ihre Artgenossen dunkles, unscheinbares Fell besaßen, das sie perfekt in der Nacht tarnte, leuchtete Bettsys Fell in geheimnisvollen Farben: ein tiefes Blau wie der Nachthimmel über Eldoria, ein strahlendes Rot wie die Blüten der Phönixorchidee und ein warmes Gold wie das Licht der schwebenden Irrlichter, die den Wald erhellten.
So wunderschön Bettsy auch war, so oft fühlte sie sich fehl am Platz. Die anderen Fledermäuse betrachteten sie mit Sorge. „Du bist zu auffällig“, sagte eine alte Fledermaus eines Nachts, als sie gemeinsam in ihrer Höhle ruhten. „Dein Schillern könnte Raubtiere anlocken. Es ist nicht sicher, so anders zu sein.“
Bettsy versuchte sich anzupassen. Sie flog vorsichtiger, hielt sich in den dunkelsten Ecken des Waldes verborgen und vermied es im Mondlicht zu gleiten, wo ihr Fell in seiner ganzen Pracht leuchtete. Doch tief in ihrem Inneren spürte sie, dass sie nicht dazu bestimmt war sich zu verstecken.
Eines Nachts, als die anderen Fledermäuse bereits ruhten, flog Bettsy tiefer in den Wald, dorthin, wo selbst die mutigsten Wesen Eldorias nur selten hinkamen. Sie folgte dem sanften Glühen des Silberstroms, der wie ein Band aus flüssigem Licht durch die Landschaft floss. Schließlich erreichte sie eine Lichtung, auf der ein kleiner, klarer Teich lag. Sein Wasser spiegelte den Sternenhimmel wider, als sei er ein Tor zu einer anderen Welt.
Bettsy ließ sich auf einem Ast nieder und betrachtete ihr eigenes Spiegelbild. Ihr Fell leuchtete in der Dunkelheit – wunderschön, aber auch so anders. Sie seufzte leise. „Warum bin ich so? Warum kann ich nicht einfach normal sein?“
Da erklang ein sanftes Rascheln und aus dem Schatten tauchte eine zierliche Gestalt auf. Eine Libelle mit durchscheinenden Flügeln, die in denselben Farben wie Bettsys Fell schimmerten, setzte sich neben sie.
„Du bist wunderschön“ sagte die Libelle mit einer klaren, melodischen Stimme. „Warum versteckst du dich?“
Bettsy senkte den Blick. „Die anderen sagen, mein Leuchten sei gefährlich. Dass es uns in Gefahr bringt.“
Die Libelle lachte leise, ihr Flügelschlag ließ feine Lichtpunkte auf der Wasseroberfläche tanzen. „Weißt du, was Schillern wirklich bedeutet? Es zeigt, dass du Licht und Schatten in dir trägst. Du kannst dich in den Farben der Welt verstecken oder sie mit deiner Schönheit überraschen. Dein Leuchten ist ein Geschenk – du musst nur lernen es richtig zu nutzen.“
Bettsy dachte lange über diese Worte nach als sie zurück zur Höhle flog. Und eines Tages sollte sie genau das tun.
Eine dichte Nebelwand legte sich über den Ewigen Wald, so undurchdringlich, dass selbst die erfahrensten Fledermäuse ihren Weg nicht mehr fanden. Die Dunkelheit war erdrückend, die Stille beängstigend. Die anderen Fledermäuse flatterten unsicher umher, suchten nach einem Ausweg, doch nichts war zu sehen außer dem undurchdringlichen Grau des Nebels.
Da erinnerte sich Bettsy an die Worte der Libelle.
Sie breitete ihre Flügel aus und flog empor. Ihr schillerndes Fell fing das schwache Licht der Irrlichter ein, reflektierte es in Blau, Rot und Gold. Die Farben tanzten im Nebel, schufen einen leuchtenden Pfad, dem die anderen folgen konnten. Eine nach der anderen fanden die Fledermäuse ihren Weg aus der dunklen Höhle – geführt von Bettsy, deren Licht für sie den Weg erhellte.
Von diesem Tag an betrachteten die anderen Fledermäuse Bettsy mit neuen Augen. Sie war nicht mehr nur die Fledermaus, die anders war – sie war diejenige, die ihnen den Weg zeigte, wenn alles andere in Dunkelheit versank.
Und so flog Bettsy weiter durch die Nächte von Eldoria, stolz auf ihr schillerndes Fell, das nicht nur wunderschön, sondern auch ihr größtes Geschenk war.